Journalismus übersetzen zwischen Kultur, Politik und Ästhetik – wie das Special entstanden ist und was dahinter steckt.
Es gibt da so ein romantisches Bild … Übersetzerinnen und Übersetzer sitzen an ihren Schreibtischen und schreiben und denken und machen sich einen Kaffee und schreiben und denken. Und interessanterweise stimmt dieses Bild über weite Strecken. Doch fehlt in dem Bild der Aspekt, dass das mit dem Übersetzen manchmal, bei dekoder in der Regel, verdammt schnell gehen muss. Da wird der Weg in die Küche zum Kaffeekochen nutzbringend eingesetzt, um dem Unbewussten schnell Raum zu geben, eine Idee zu der gerade unlösbaren Stelle auszuspucken. Und ansonsten wird schnell, sehr schnell in die Tasten gegriffen.
Aber mal abgesehen davon, dass es schnell gehen muss: Was genau meint journalistisches Übersetzen? Welche Anforderungen stellen unterschiedliche Genres? Wie wird man den in unterschiedlichen Ländern unterschiedlichen Traditionen journalistischen Schreibens gerecht? Darüber in Ruhe nachzudenken, bleibt auf der Suche nach meist umgehend geforderten genauen Lösungen oft die Zeit nicht. Und genau darum – um dieses genauere Nachdenken – geht es in den Texten, die im Rahmen des Neustart-Projekts Journalismus übersetzen – zwischen Kultur, Politik und Ästhetik entstanden sind. Die Übersetzer:innen konnten sich dafür kurz herausnehmen aus dem, was sie täglich tun, und sich quasi selber auf die Finger schauen. Außerdem hatten wir zuvor bei einem gemeinsamen Workshop die Chance, über das, was wir tun, nachzudenken. Die Ideen sind in diesem Special zu Texten gereift.
In den Projektverlauf fiel der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Ich kann hier nicht für alle sprechen – doch falls mit dem Beruf in Momenten gehobener Stimmung das Gefühl verbunden war, ein kleiner Held oder Heldin der Verständigung nach dem Ende des Kalten Kriegs zu sein, teils mutig und teils reich beschenkt – dann wurde daran über das letzte halbe Jahr heftig gerüttelt. Die Unschuld des Berufs ist mit diesem Überfall beschädigt. Sie wich Erschütterung und Erstarrung und hinterließ uns verstört.
Irgendwann kamen die Worte wieder. Einige Übersetzer:innen haben ihren Texten später etwas hinzugefügt, was für sie nun plötzlich relevant geworden war, einiges ist überhaupt erst nach dem Kriegsbeginn entstanden. Wir bleiben dran, begleiten die Debatten – und sitzen weiter an unseren Schreibtischen.
Die sind eine stabile Grundlage unseres Alltags – und sie bilden auch gestalterisch die Grundlage dieses Specials. Manche der Tische sind tatsächlich die Tische, an denen die jeweiligen Texte entstanden sind. Bei manchen haben wir ein bisschen geschummelt.
Viel Freude beim Lesen